* Rechtsanwalt Patrik Howald ist Mitgründer, VR-Vizepräsident und GL-Mitglied der Dextra Rechtsschutz AG. Er ist Handelsrichter des Kts. Zürich im Bereich Banken und Versicherungen.

Am 1. Januar 2006 trat eine Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft. Unter anderen wurde Art. 6 VVG, der die Folgen von Anzeigepflichtverletzungen regelt, überarbeitet. Die Versicherer – insbesondere im Bereich der Vermögensversicherung, worunter auch die Rechtsschutzversicherung fällt – tun sich schwer im Umgang mit der neuen Regelung.

Ein Beispiel: Kunde Hinz kennt sämtliche Rechtsschutzversicherer dem Alphabet nach. Seine Versicherungsverträge wurden regelmässig durch die Versicherer gekündigt. Hinz nimmt erleichtert zur Kenntnis, dass die Versicherungslandschaft um eine neue Rechtsschutzversicherung reicher geworden ist und man ihn dort noch nicht kennt. Er schliesst einen Versicherungsvertrag ab und verneint sämtliche Antragsfragen, unter anderem auch die Frage nach gekündigten Versicherungsverträgen und Schadenfällen.

Kurze Zeit später meldet Hinz einen Schadenfall an. Wieder einmal mehr mache ihm sein Nachbar Kunz das Leben schwer. Ein Gespräch des Anwalts der Rechtsschutzversicherung mit der Gegenpartei (Kunz) ergibt, dass ebendieser – jeweils unter neuen Vorwürfen – schon von verschiedenen anderen Rechtsschutzversicherern von Hinz kontaktiert worden war. Hätte der neue Versicherer Hinz in Kenntnis dieser Vorgeschichte als Kunde angenommen? Wohl kaum. Muss er sich nun mit Hinz und Kunz auseinandersetzen? Ja!

Während der Versicherer nach altem Recht bei Feststellung einer Anzeigepflichtverletzung den Vertrag rückwirkend per Vertragsbeginn auflösen konnte und keine Leistungen zu erbringen hatte – ja sogar bereits erbrachte Leistungen zurückfordern konnte –, führt die Anzeigepflichtverletzung nach Art. 6 VVG heute nur noch zu einem Kündigungsrecht des Versicherers. Der Versicherer wird heute nur dann von seiner Leistung befreit, wenn ein (adäquater) Kausalzusammenhang zwischen der verschwiegenen Gefahrstatsache und dem eingetretenen Schaden oder dessen Umfang besteht. Während sich in der Personenversicherung bei verschwiegenen gesundheitlichen Beschwerden noch relativ rasch ein Kausalzusammenhang herstellen lässt, ist dies in der Sach- oder Vermögensversicherung schon schwieriger. Hinz hatte zwar schon mehrfach Streit mit Kunz. Hingegen reichen selbst ähnliche Vorschäden eben nicht für die Bejahung eines Kausalzusammenhangs zum neuen Schaden mit neuem Streitgegenstand. Mit anderen Worten: Dieser eingetretene Schaden muss nun vom neuen Versicherer doch noch übernommen werden.

Was bringt denn dem Versicherer die Kündigungsmöglichkeit gemäss Art. 6 Abs. 1 VVG zusätzlich zur Möglichkeit, den Versicherungsvertrag gemäss Art. 42 Abs. 1 VVG sowieso im Schadenfall kündigen zu können? Nun, in den meisten Fällen werden Anzeigepflichtverletzungen im Schadenfall festgestellt, weil sich der Versicherer mit dem Versicherten konkret auseinandersetzt. Während Art. 42 VVG für die Kündigung einen gedeckten Schadenfall voraussetzt, lässt Art. 6 VVG immerhin eine Kündigung im ungedeckten Schadenfall zu.

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