Lange Zeit wagte es kaum eine Rechtsschutzversicherung, einen Fall wegen Aussichtslosigkeit abzulehnen. Dies hat sich in letzter Zeit geändert. Früher bedeutete aussichtslos noch wirklich «ohne Aussicht auf Erfolg». Heute lehnen einige schwarze Schafe unter den Rechtsschutzversicherungen Fälle bereits dann ab, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs unter 50% liegt. Das widerspricht dem Wortlaut der Aufsichtsverordnung. Die Kunden fühlen sich oft ohnmächtig.

Nun gibt es Abhilfe: Nachdem mir Blog-Leser einige besonders stossende Fälle anvertraut haben, ist es mir gelungen, über 20 unabhängige Anwälte dafür zu gewinnen, einen Pool von Schiedsrichtern zu bilden, der in einem künftigen Fall von angeblicher Aussichtslosigkeit zur Verfügung steht. Sollten Sie, liebe Blog-Leser, eine Schiedsrichterin oder einen Schiedsrichter suchen, wenden Sie sich einfach an mich. Ich kann Ihnen meist mehrere Anwälte nennen, die sich im betroffenen Rechtsgebiet auskennen und die Sie der Versicherung vorschlagen können.

Auf diese Weise müssen Sie Schiedsrichter, die von Rechtsschutzversicherungen vorgeschlagen werden, nicht mehr akzeptieren, nur weil Sie selbst niemanden kennen.

Damit Sie sehen, wovon ich spreche, schildere ich Ihnen zwei Fälle aus der Praxis:

 

Fall Nr. 1: Die gestohlene Goldkette

In diesem Fall wurde der Blog-Leserin M. in den Ferien Schmuck gestohlen. Die Zürich Versicherungen machten geltend, der Fall sei unter dem Titel Diebstahl nicht gedeckt, M. habe die Goldkette bei der Abreise vergessen. M. meldete den Fall der Rechtsschutzversicherung an. Ein Jurist der Rechtsschutzversicherung, der inzwischen glücklicherweise nicht mehr dort arbeitet, kündigte an, der Zürich ein Schreiben zukommen zu lassen. Wenn dieses nichts bringe, halte er den Fall für aussichtslos. Er verfasste jedoch ein dermassen dilettantisches Schreiben, dass die Zürich nun erst recht auf ihrem Standpunkt beharrte. Die Rechtsschutzversicherung machte nun also Aussichtslosigkeit geltend. M. verlangte ein Schiedsverfahren. Nachdem die Rechtsschutzversicherung zwei Schiedsrichtervorschläge von M. ablehnte, schlug sie selbst zwei Schiedsrichter vor. M. stimmte einem Vorschlag zu. Der Schiedsrichter, seines Zeichens Fachanwalt für Versicherungsrecht, entschied im Sinne der Rechtsschutzversicherung für Aussichtslosigkeit, unterlag aber bei einer seiner Begründungen dem offensichtlichen Irrtum, dass die Zürich-Police Diebstahl auswärts nicht deckte. Nicht einmal die Zürich selbst machte dies geltend. Nun intervenierte ich im Namen von M. und verlangte beim Schiedsrichter fristgerecht die Korrektur dieses offensichtlichen Versehens. Der «Versicherungsspezialist» ging nicht auf mein Rechtsmittel ein und behauptete, er habe kein Schiedsverfahren durchgeführt, sondern nur als Gutachter agiert. Nun tat ich zwei Dinge: Erstens verlangte ich von der Rechtsschutzversicherung, dass das Schiedsverfahren in dem Fall noch durchzuführen sei. Zweitens intervenierte ich selbst bei der Zürich, um in der Sache Recht zu erhalten. Resultat Teil 1: Die Rechtsschutzversicherung sagte, ein Schiedsverfahren sei durchgeführt worden, auch wenn sich der «Schiedsrichter» dessen nicht bewusst gewesen sei. Resultat Teil 2: Nach meiner Intervention lenkte die Zürich ein und bezahlte den Diebstahl-Schaden vollumfänglich. Resultat Teil 3: Die Rechtsschutzversicherung bezahlte am Ende neben dem «Schiedsrichter» auch noch mein Honorar. Der «aussichtslose» Fall endete also in einem vollen Erfolg.

Kleine Anmerkung: Das ist kein Einzelfall. Inzwischen kenne ich Anwälte, die  regelmässig Streitigkeiten vor Gericht ausfechten, die von Rechtsschutzversicherungen als aussichtslos taxiert wurden. Meist erzielen sie vor Gericht dann doch einen Teilerfolg, so dass die Rechtsschutzversicherung ihr Honorar zahlen muss. Davon lässt sich offenbar gut leben.

Fall Nr. 2: Beharrliche Verweigerung des vorgeschlagenen Schiedsrichters

Bei diesem Fall fragte mich eine Blog-Leserin als Schiedsrichter an. Sie hatte sich im Einklang mit ihrem Anwalt für den Weiterzug der Angelegenheit entschlossen, noch bevor ein Schiedsrichter urteilen konnte.

Die Rechtsschutzversicherung lehnte mich als Schiedsrichter ab. Angeblich sei ich negativ voreingenommen, weil ich mich in meinem Blog negativ über ein neues Produkt von ihr geäussert habe. Sie bot selbst Schiedsrichter an, die jedoch als Vertrauensanwälte dieses grossen Verbands, dem die Versicherung gehört, auch nicht unbefangen waren. Das Hin und Her geht bis heute weiter. Die Rechtsschutzversicherung lehnt jeden Vorschlag der Kundin ab. Die Kundin lehnt die Vertrauensanwälte der Rechtsschutzversicherung (pardon, ihres Mutterverbands) als Schiedsrichter ab.

Fazit: Bis die Kundin endlich zu ihrem Schiedsgericht kommen wird, wird der Fall in der Sache längst entschieden sein. Obsiegt sie in der Sache, muss die Rechtsschutzversicherung zahlen. Verliert sie, muss ein Schiedsgericht entscheiden, ob die Angelegenheit aussichtslos war oder nicht. Die Objektivität wird darunter leiden.

 

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8 Comments

  1. Rechtsbegehren sind als aussichtslos anzusehen, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer als die Verlustgefahren sind und sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 125 II 265 E. 4b).

    Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet.

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  4. Dieses BG-Urteil zeigt wiederum deren katastrophalen mafiösen Strukturen. Diese Aussage können wir mit 90A-4 Seiten Material zu einem mafiosen Entscheid beweisen.
    Wir hatten eigentlich gerade im Sinn, eine RS-Versicherung abzuschliessen. Jedoch dieses Urteil ist so weitschweifig, schwammig wie üblich z. Gunsten der Oligarchen ohne jegliche min. Betragsangabe, dass eigentlich nahezu jeder Fall zur Farce für den Rechtssuchenden ist.
    Danke Ihnen für den Beitrag Herr Dähler.

    • Peter Dähler Reply

      Hallo Diana. In diesem Fall ist es glücklicherweise nicht zu einem Bundesgerichtsurteil gekommen, da die Zürich und die CAP am Ende einlenkten. Wenn Sie jedoch Rechtssprechung zum Gewahrsamsbruch wünschen, könnte ich behilflich sein. Beste Grüsse

      • Vielen Dank für Ihre rasche Antwort! Mich interessiert sehr das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten insb. Aussichtslosigkeit. Könnten Sie vielleicht irgendwelche Verweise auf Gerichtsurteile geben?

  5. Peter Dähler Reply

    Hallo Diana, eine aktuelle Definition des Bundesgerichts finden Sie oben im Post von «Serge» mit Hinweis auf BGE 125II265. Das Problem ist, dass die Rechtssprechung meist nicht auf Rechtsschutzversicherungsstreitigkeiten beruht, sondern auf Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Sollte es zu einem neueren BGE kommen, dürfte die Formulierung jedoch für Rechtsschutzversicherungen übernommen werden. Das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten müsste so organisiert sein, dass beide Parteien ein paar Schiedsrichter vorschlagen. Ich bin im Besitz einer Liste von unabhängigen Anwälten, die entstanden ist, als ich noch nicht auf der Versichererseite stand. Eine der vom Versicherten vorgeschlagenen Anwälte sollte der Versicherer akzeptieren, denn wenn er selbst Anwälte vorschlägt, besteht meist der Verdacht, dass diese nicht unabhängig sind. Seien Sie also sehr skeptisch, wenn Ihnen eine Rechtsschutzversicherung den Schiedsrichter vorschlagen will. Ansonsten würde ich meine Liste gerne dem «K-Tipp» oder dem «Plädoyer» weitergeben, dann könnten diese als unabhängige Zeitschriften weiterhelfen.

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