Ein Anwaltskollege hat mich in der grössten Schweizer Juristen-Mailingliste SWISSLAWLIST darauf aufmerksam gemacht, dass es durchaus wichtig ist, was Rechtsschutz-Versicherer in ihren Bedingungen vorsehen, sofern der Kunde eine Obliegenheit verletzt. Im Vordergrund stehen zwei mögliche Verletzungen von Obliegenheiten, die regelmässig vorkommen:

  • Der Kunde meldet den Schadenfall zu spät an
  • Der Kunde geht zuerst zu seinem Anwalt und lässt den Fall dann von diesem anmelden

Wesentlich seltener geben andere Mitwirkungspflichten Anlass zu Diskussionen. Zusammengefasst sieht die Situation im Markt wie folgt aus: Versicherer verlangen in der Regel eine raschmöglichste, sofortige, unverzügliche Anmeldung des Schadenfalls. Die Fortuna macht eine Ausnahme, indem sie ab Kenntnis des Schadenfalls eine 10-Tagesfrist setzt, um den Fall anzumelden. Das ist zwar eine längere Frist als «unverzüglich», kann aber eine allzuscharfe Grenze darstellen. Und Versicherer verlangen grundsätzlich , dass man anlässlich eines Schadenfalls nicht direkt zum Anwalt geht, sondern sich zuerst an sie wendet.

Was passiert nun, wenn diese Vorgaben nicht eingehalten werden:

Wichtig ist, dass in der Regel nur die schuldhafte Verletzung von Obliegenheiten zu Sanktionen führt, ausser bei der AXA-ARAG, bei der theoretisch das Verschulden keine Rolle spielt. Aber die Frage lautet: Was heisst schon Verschulden. Wer den ersten Rechtsschutz-Fall seines Lebens hat, wird kaum wissen, wie er sich im Detail zu verhalten hat. Bekanntlich liest in solchen Fällen niemand die AVB. Aber wer schon in einem früheren Fall einen Hinweis erhalten hat, von dem kann schon eher erwartet werden, dass er sich an die Vorgaben hält.

Der wichtigste Unterschied zwischen den Versicherern liegt darin, dass die Hälfte, nämlich ASSISTA, AXA-ARAG, COOP und PROTEKTA kundenfreundlicherweise nur dann Sanktionen im Sinne einer Leistungskürzung androht, wenn die Obliegenheitsverletzung Kostenfolgen verursacht. Die anderen, CAP, DAS, FORTUNA und ORION sind strenger: Sie können auch Leistungen kürzen oder verweigern, wenn die Obliegenheitsverletzung bei Ihnen gar keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Meine Meinung: Negative Kostenfolgen müssen immer die Voraussetzung für eine Leistungskürzung bilden. Eine gänzliche Leistungsverweigerung würde vor keinem Gericht standhalten. Und noch eine Meinung: Es geht nicht an, dass man dem Kunden verbietet, vor Anmeldung eines Schadenfalls einen Anwalt beizuziehen. Hier geht die persönliche Freiheit eines Jeden vor. Man kann sich höchstens auf den Standpunkt stellen, dass die Kosten dieses vormaligen Mandats oder die Kosten der Anmeldung durch den Anwalt nicht getragen werden. Aber selbstverständlich kann ich für alles im Leben einen Anwalt beauftragen. Daran hindert mich weder ein Rechtsstaat, ein Versicherer noch sonst jemand.

Im Detail lauten die Klauseln der Versicherer wie folgt:

ASSISTA, AVB Privat 2011: «Verletzt der Versicherte schuldhaft seine vertraglichen oder gesetzlichen Obliegenheiten, ist die Assista berechtigt, ihre Leistungen in dem Masse zu kürzen, als die Verletzung höhere Kosten verursacht hat.»

CAP, AVB privaLex 2009: «Bei Verletzung dieser Meldepflicht kann die CAP ihre Leistungen kürzen, sofern der Versicherte nicht unverschuldet daran verhindert gewesen ist.» und «Kommt (der Versicherte) diesen Verpflichtungen nicht nach, kann die CAP ihre Leistungen verweigern, sofern die Verletzung den Umständen nach nicht unverschuldet ist.»

DAS, AVB Privat 2010: «Die schuldhafte Verletzung vertraglicher Obliegenheiten durch den Versicherten berechtigt die DAS, ihre Leistungen zu verweigern.»

PROTEKTA, AVB Privat 2009: «Werden im Schadenfall die Melde- und Verhaltenspflichten schuldhaft verletzt, kann die Protekta ihre Leistungen ablehnen oder entsprechend kürzen, es sei denn, Sie beweisen, dass das vertragswidrige Verhalten die zu Lasten der Protekta gehenden Kosten nicht negativ beeinflusst hat.»

FORTUNA, AVB Privat 2004: «Bei schuldhafter Verletzung der Meldepflicht kann die Fortuna ihre Leistungen ablehnen oder kürzen.» und «Kommt die versicherte Person ihren gesetzlichen oder den in diesem Vertrag vereinbarten Obliegenheiten (…) nicht nach, so kann dies zum Verlust der Versicherungsanspruches führen.»

ORION, AVB Privat 2011: «Bei schuldhafter Verletzung der Melde- und Mitwirkungspflichten (…) kann Orion ihre Leistungen ablehnen oder kürzen. Dies auch, wenn daraus keine Mehrleistungspflicht der Orion resultiert.»

AXA-ARAG, AVB Privat 2008: «Wurden die Melde- oder Verhaltenspflichten verletzt, und werden dadurch die Kosten des Rechtsfalls beeinflusst, kann die AXA-ARAG ihre Leistungen kürzen oder verweigern. Vor der Einleitung von Rechtsverfahren, für die Versicherungsschutz beansprucht wird, oder dem Beizug eines Rechtsvertreters, ist die Zustimmung der AXA-ARAG einzuholen, andernfalls kann die AXA-ARAG ihre Leistungen ablehnen.»

COOP, AVB Privat 2010: «Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten kann die Coop Rechtsschutz ihre Leistungen soweit kürzen, als dadurch zusätzliche Kosten entstanden sind. Bei grober Verletzung können Leistungen verweigert werden.»

 

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